LdE-Preisverleihung am 5. Dezember 2024.
Wenn sich bestens gelaunte Schulklassen mit ihren Lehrkräften auf den Weg nach München machen, wenn die Staatsministerin für Unterricht und Kultus, Anna Stolz, eine fröhliche Videobotschaft voll des größten Lobes schickt, wenn die Ehrenamtsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung Gabi Schmidt andere Termine liegen lässt, um mitzufeiern … dann ist der Internationale Tag des Ehrenamts angebrochen, an dem in diesem Jahr wieder unser Schulpreis „Eine Klasse für sich und andere“ für herausragendes Schülerengagement festlich verliehen wurde.
Finanziert durch die Castringius Kinder- und Jugendstiftung, ausgerichtet durch die Stiftung Gute-Tat München & Region und das Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (LBE) und in enger Kooperation mit dem Bayerischen Kultusministerium erfährt der Preis mittlerweile große Resonanz.
Aus 50 Einsendungen aus ganz Bayern wählte eine Fachjury auch in diesem Jahr die besten Engagement-Projekte aus, die nach den Qualitätskriterien von „Lernen durch Engagement“ (LdE) bewertet werden.
Die feierliche Veranstaltung im Festsaal des Ausbildungshotels St. Theresia wurde freundlicherweise von der Giesecke & Devrient Stiftung, dem Gewinnsparverein der Sparda Bank München und dem Kolping Bildungswerk unterstützt. Vielen Dank!
Zahlreiche Gäste feierten die Schüler*innen und ihre Lehrkräfte, die ihren Unterricht durch zivilgesellschaftliches Engagement mit wichtigen Fragen der Zeit verbanden und auf diese Weise nicht nur ein besonders vertieftes Lernerlebnis garantierten. Durch ihren Einsatz lenken sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die wichtigen Themen, die sie kreativ und kraftvoll bearbeitet haben.
Wir freuen uns, dass Lernen durch Engagement mit unserer Unterstützung als Kompetenzzentrum München so lebendig und hochwertig in Bayern umgesetzt wird!
Die Preisträger 2024
1. Preis: Gymnasium Neuendettelsau
„Stimme erheben – Demokratie erleben“ – Eine Demo für Demokratie
Wenn Politikunterricht so gestaltet wird wie Lehrerin Lena Langenbach das getan hat, setzen sich nicht nur die Gedanken in Bewegung, sondern unter Umständen sogar die ganze Schule.
Mit 25 Elftklässler*innen hat sie thematisiert, wie Extremismus, Fundamentalismus und Populismus die freiheitliche Grundordnung gefährden. Die Schüler*innen stellten fest, dass viel zu wenige Menschen aktiv für eine streitbare gelebte Demokratie eintreten. Und sie finden, dass sich zu viele nicht um Minderheitenschutz und Gleichberechtigung kümmern, dass viel zu viele einfach schweigen. Das wollen sie anders machen. Sie wollen sich positionieren und überlegen, wie man die Kompetenz stärken kann, seine Rechte zu kennen und für die Werte der Demokratie einzustehen.
Sie reflektieren Möglichkeiten persönlichen Engagements und entscheiden, mit einer großen Schuldemo durch ihren Heimatort Neuendettelsau ein deutliches Signal zu setzen.
Sie wollen nicht nur Aufmerksamkeit erreichen, sondern neben anderen demokratischen Einflussmöglichkeiten aktiv ihr Versammlungs- und Demonstrationsrecht anwenden, das sonst wie viele andere Inhalte in der Schule nur theoretisch erläutert wird. Die umfassenden Vorbereitungen organisieren sie selbstständig und arbeiten dazu mit allen entsprechenden Institutionen zusammen, aber sie wollen noch mehr: alle Schüler*innen des Gymnasiums sollen die Gelegenheit haben, sich auf möglichst kreative und lebendige Weisem mit demokratischen Werten auseinanderzusetzen!
Gemeinsam mit ihren Lehrkräften gestalten sie einen Projekttag mit Workshops für alle Altersstufen, der am selben Tag wie die Demo vorbereitend stattfinden soll. Sie denken sogar daran, für diejenigen ein Alternativprogramm in der Schule zu entwerfen, die nicht mitlaufen wollen.
Am großen Tag setzen sie ihre Demonstration durch ihren Ort in Gang.
Die Schule zeigt Neunedettelsau, dass es wichtig ist, für demokratische Werte die Stimme zu erheben. Eine Kundgebung mit Musik und Reden auf dem zentralen Sternplatz krönt die Versammlung, bevor der Zug wieder zurück zur Schule zieht.
Dieses herausragende, hochkomplexe Engagement für die Demokratie hat die Jury mehr als überzeugt und das Motto unseres Schulpreises groß und weithin sichtbar gemacht: Eine Klasse für sich und andere!
1. Preis: Grundschule Hofkirchen
„Wir wollen unsere Blühwiese zurück!“
Manchmal kommt es vor, dass die eingereichten Projekte in Qualität und Ausstrahlung so gleichwertig sind, dass man einfach in einer Kategorie zwei Preisträger küren muss.
So erging es der Jury mit dem beeindruckenden Engagement einer kleinen Grundschule in der Nähe von Passau. Sie trägt bereits den Titel Umweltschule in Europa und versteht dies als ihren dauerhaften Auftrag.
Die Kinder haben im Unterricht eine Blühwiese vor der Turnhalle angelegt, – dort können alle täglich beobachten, wie sich ein wichtiger Lebensraum für Insekten und Wildblumen entwickelt.
Eines Tages jedoch der Schock: Die Wiese wurde einfach durch die Gemeinde abgemäht, obwohl sie als Projektfläche ausgewiesen und genehmigt war!
Ihre Erschütterung teilen die Schüler*innen mit ihren Lehrkräften und schnell ist klar: das können und wollen wir nicht hinnehmen. Gemeinsam mit ihren Lehrkräften überlegen sie, welche demokratischen Rechte sie jetzt anwenden können und wie sie ihre Anliegen genau formulieren. Sie schreiben einen Brief, in dem sie um die Wiederherstellung der Blühwiese bitten und übermitteln ihn dem ersten Bürgermeister des Ortes. Dazu nutzen sie aber nicht die Post, sondern gehen einfach selbst zum Rathaus, schließlich sollen auch die Hofheimer*innen mitbekommen, was hier passiert ist und warum es wichtig ist, sich für Artenvielfalt und Naturschutz einzusetzen.
Die Schule hat schon einen Umweltpreis bekommen und einige Aktionen gestaltet, diese Aktivitäten sind der Schulfamilie besonders wichtig. Mit wohlformulierten Argumenten auf Transparenten und mit Fotos von den abgemähten Blumen zeigt sie nun ihr Engagement für ihren besonderen Lernort und macht auf die Bedeutung von Pflanzen und Insekten für unsere Umwelt aufmerksam.
Das gefällt nicht jedem!
Die kleine Demonstration verärgert einen Bürger derart, dass er der Lokalzeitung einen aggressiven Leserbrief schreibt. Er findet, dass die Schüler*innen und ihre Lehrkräfte kein Recht haben, Gemeindeflächen zu gestalten und behauptet, die Kinder seien manipuliert worden. Doch das lassen die Beteiligten nicht auf sich sitzen. In einer freundlichen Antwort positioniert sich Schulleiterin Ingrid Weinzierl mit ihrem Kollegium und macht klar:
Hier hat auf vorbildliche Weise Umwelt- und Demokratiebildung stattgefunden, die natürlich auch im Lehrplan steht.
Der Bürgermeister hat sich übrigens entschuldigt, das Abmähen der Wiese sei ein Versehen gewesen. Jetzt bekommen die Kinder alle Unterstützung, um die Wiese wieder anzusäen und weiterzupflegen.
Unsere Jury war begeistert von diesem vorbildlichen demokratischen Engagement. Wir gratulieren zum wohlverdienten Ersten Preis!
2. Preis: Lothar-von-Faber-Schule, Staatliche Fachoberschule Nürnberg
„The Future is Female“
Kein Tag vergeht, an dem in den Nachrichten nicht von Gewalt gegen F
rauen, Bedrohung, mangelnder Gleichberechtigung und schwindender Frauenrechte die Rede ist. Ein weltweites Problem, das aber auch hierzulande durchaus mehr öffentliche Wahrnehmung und Aufklärung verdient.
21 Zwölftklässler*innen der Fachrichtung Gestaltung haben mit ihrem Lehrer Michael Bayer den Internationalen Frauentag am 8. März zum Anlass genommen, ihren Unterricht in Politik und Geschichte mit dem Fach Medien zu verbinden und sich mit sozialer Ungleichheit und Sexismus zu befassen.
Ausgehend von ihrer eigenen Lebensrealität, richten sie zunächst in ihrer Klasse einen Safe Space ein, um persönliche Erfahrungen teilen zu können, die vielleicht nicht ganz einfach zu schildern sind. So wird ein sicherer, geschützter Erzählraum geschaffen, in dem sich alle Beteiligten zu Benachteiligung und Sexismus im Alltag und zu ihren Erlebnissen äußern und Fragen diskutieren können.
Sie wollen Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit für ihr Thema erzeugen, haben aber wenig Zeit und geringe Mittel und beschließen, Postkarten zu entwerfen und diese zu verkaufen, um mehr Menschen für das Thema zu sensibilisieren.
Ihre Aktion wird ein Riesenerfolg und in kürzester Zeit sind die Karten ausverkauft.
Bestätigt von der großen Zustimmung beschließen sie, den Erlös dem Frauenhaus Nürnberg zu spenden, das dadurch zum außerschulischen Partner wird: Vertreterinnen des Frauenhauses kommen an die Schule und berichten von ihrer Arbeit. Gemeinsam haben sie viel Aufmerksamkeit für die Rechte von Frauen und deren Beschränkung erzeugt.
Die Klasse ist überrascht und stolz, dass sie als Gruppe mit wenigen Mitteln so viel erreichen konnte. Die Jury würdigt ausdrücklich, dass die Beteiligten in den zeitlich besonders engen Bedingungen an einer Fachoberschule ein kleines, aber sehr strahlkräftiges Projekt auf die Beine gestellt haben.
In dieser Schulform wechseln sich Unterrichts- und ausgedehnte Praktikumsphasen regelmäßig ab, so dass für die Bewältigung des eigentlichen Schulstoffs weniger Zeit bleibt. Umso beeindruckender ist es, wenn Lernen durch Engagement als Lehr- und Lernform trotzdem gewählt wird. Wir gratulieren!
3. Preis: Mittelschule Puchheim
„Seniorenprojekt Green City“
Mobilität neu denken … das ist für viele eine vielfältige Herausforderung. Ein Aspekt: Vor allem im Alter kommen manche Menschen mit der digitalen Fahrplanrecherche oder mit dem Kauf eines Tickets nicht mehr gut zurecht.
Wer kann hier am besten unterstützen? Na klar – Jugendliche, die sozusagen mit Smartphone und anderen Endgeräten aufgewachsen sind!
Das denkt sich auch Martin Wagner mit seinen Schüler*innen der 8. Klasse an der Mittelschule Puchheim. Im Ethikunterricht thematisieren sie Themen des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Perspektivübernahme.
Mit ihrem außerschulischen Partner Green City e.V., der sich in München für zukunftsfähige Mobilität, Urbanes Grün und Klimaschutz einsetzt, befassen sich die Jugendlichen mit digitaler Barrierefreiheit für Senior*innen bei Ticketbuchung und Routenfindung bei S- Bahn und Zügen.
Sie bereiten sich auf die zielgruppengerechte Kommunikation für ihr Projekt vor, geben ihr Wissen an eine Gruppe von älteren Menschen weiter und coachen sie im Umgang mit dem Smartphone.
Gemeinsam mit den Senior*innen nutzen sie die Bahn und kommen so intensiv in Kontakt. Ein gemeinsamer Ausflug zum Stellwerk Steinhausen mit Besuch der Werkstätten wird zum krönenden Abschluss. Begeisterte Reaktionen der Älteren betonen, wie empathisch die Jugendlichen sich zeigen, wie schnell es ihnen gelingt, Berührungsängste abzubauen und wie viel Spaß die gemeinsame Aktion allen gemacht hat.
Manche Schüler bleiben in persönlichem Kontakt mit ihren Partner*innen und bieten auch nach der Aktion weiterhin ihre Unterstützung an. Ein Seniorenbund aus dem Nachbarort meldet sich und möchte ebenfalls vom Wissen der Schüler*innen profitieren. Damit wird die prägsame Erfahrung noch tiefer: Wir können gemeinsam etwas bewegen und gesellschaftliche Brücken bauen. Herzliche Gratulation zu diesem beeindruckenden Projekt!
Herzlichen Dank an die Veranstalter, die Jury, unsere Sponsoren
und unsere Moderatorin Regine Leonhardt
vlnr: Gabi Schmidt (Ehrenamtsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung), Dorothea Bomhard (Castringius Kinder- und Jugendstiftung), Nicole Kertesz (Stiftung Gute-Tat), Patrick Oberdörfer (Jurymitglied), Kirsten Donie (Giesecke & Devrient Stiftung), Michael Strehler (Jurymitglied), Heidi Krauß (Kultusministerium, Jurymitglied), Regine Leonhardt (Stiftung Gute-Tat), Claudia Leitzmann (Geschäftsführung LBE), Silvia Kalb (LBE)
Fotos: Andreas Schebesta
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